Dienstag, 31. Mai 2016

Der Spruch des Tages (112)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Donnerstag, 26. Mai 2016

La isla bonita (4. Teil)

Damit hatten wir wirklich nicht gerechnet, dass zwei Frösche an Bord kämen. Esel, Kängurus, Murmeltiere, Springböcke – ja, aber doch nicht Frösche. Wo gibt’s denn so was, dass die verreisen? Wir hockten hinter unserer Mango-Kiste und konnten es nicht glauben.
„Sind das solche, die man küssen muss, damit daraus Prinzessinnen werden?“, hat der Karlsson gefragt.
Quatsch, die waren echt und hießen Ludmilla und Tamara. Millionärsgattinnen aus Russland. Auf kleiner Urlaubsreise. Erholung zwischendurch. Die Weltreise sollte im Sommer folgen.
„Da musst du jetzt mal 'n bisschen manierlicher essen“, habe ich zum Pit gesagt. „Wir kriegen jetzt Kultur an Bord, da fällt das auf.“

Ludmilla und Tamara

Ihre Anwesenheit hat insofern Schwung in den Laden gebracht, als jetzt eine versilberte Bratenschale mit Wasser gefüllt und an Deck gestellt wurde. Sonnenschirm drüber, fertig war der Swimmingpool. Die beiden Froschdamen hockten oft darin, ließen sich Drinks servieren und zeigten sich gegenseitig Handtaschen und Cocktailkleider in der „Cosmopolitan“. 

Mia
Manchmal hockten auch die Mia und die Cora dabei. Dann schwappte das Wasser über den Rand und die Fröschinnen guckten genervt. Das wirkte Wunder. Ruck zuck waren die Mia und die Cora wieder draußen. Von zwei Expertinnen des gehobenen Lifestyles zu Proleten degradiert zu werden, das wollten sie nicht riskieren. Lieber saßen sie auf ihrem Badetuch und diskutierten ebenfalls Handtaschen und Cocktailkleider, und zwar so laut, dass man es bis Alaska hören konnte. Tamara und Ludmilla schoben dann ihre Sonnenbrillen auf die Stirn. Ihr Blick war eine Mischung aus Erstaunen und dem Interesse an einem Borkenkäfer, der auf den Rücken gefallen war und nun mit den Beinen strampelte, weil er nicht von allein wieder zurückfand.

Zum Luke sagten sie, als er gerade am Pool vorbeimarschiert kam, er hätte einen so professionellen „Body“, ob er Profiboxer sei. Oder Wrestler? Oder Holzfäller? Oder Kühlschränke in den vierten Stock tragen täte? Der Luke ist nur kurz stehen geblieben, hat sich umgeschaut und „Nö“ gesagt. Dann ist er weitergegangen, unter Deck verschwunden. 

Pit
Den Pit hat das alles nicht interessiert. Der lag schlaff auf seinem Kissen beim Sonnenbaden, ab und zu tat er in ein Sandwich beißen. Selten, dass sich mal die Schwanzspitze bewegte. Ich glaube, seine Cornedbeef-farbenen Ringel im Fell waren schon um einiges ausgebleicht.
„Du musst mal mit Kastanienextrakt shampoonieren“, hat die Mia empfohlen.

Dem Karlsson war der Neuzugang an Bord nicht ganz geheuer. Seine abendlichen Rundgänge als Lord Nelson im Piratenmützchen hatte er augenblicklich eingestellt. Dafür war jetzt öfter zu beobachten, wie er aus sicherer Entfernungen aufs Treiben am Swimmingpool starrte. Das veranlasste mich zu der Frage, wie er zur Ehe stünde. Würde er mal heiraten wolle? Oder betrachtete er Weiber, so wie es sich gehört, als überholt und überflüssig? Ich hätte das gern gewusst. Mir war nämlich nicht klar, ob die beiden Fröschinnen bei ihm als Sensationsguckerei am Unfallort rangierten oder ob er sie am liebten mal zünftig von oben bis unten abschnüffeln täte.
„Och“, hat er nur gesagt.
Nicht doch, so geschwätzig der Herr?

Abends nach dem Dinner wurde meistens Karten gespielt. Dazu hatten wir Windlichter auf dem Tisch. Frauen finden so was ja stimmungsvoll, mir hat's die Augen zerflattert. In der Karibik geht die Sonne schnell unter (und auch schnell wieder auf.) Das liegt an der Nähe zum Äquator. Da ist die Sonne ganz fix im Meer versunken, so gegen 18.00 Uhr. Wenn man den kurzen Sonnenuntergang nicht verpassen will, muss man rechtzeitig an Deck sein, sonst ist's vorbei und alles ist nur noch dunkel.


Gleich fällt sie rein, die Sonne

An der Temperatur ändert das aber nicht viel. Es bleibt auch abends angenehm warm. Eigentlich war alles ziemlich perfekt. Das Schiff schaukelte kaum merklich, es roch nach Seeluft und Feierabend, und der Wind war – so wie man's verlangen kann – mit den Segeln beschäftigt, aber weniger mit uns. Nur die Fröschinnen hatten jetzt eine Parfümwolke vorm Busen und bunte Federboas um die Schultern. Ihnen war kühl.
„Sehr geschmackvoll, meine Damen. Sie tragen Ihre Federn wie Königinnen ihre Krone“, hat der Pit gesülzt und dabei gegrinst von einem Ohr zum andern. 

Cora (genesen)
Ui, da hättet ihr mal die Mia und die Cora sehen sollen. Den halben Abend haben sie mit aufgepuscheltem Gefieder und rausgestrecktem Dekolletee dagesessen, um auch ja mithalten zu können. Es sah aber nur halb so elegant aus, und später in der Kabine waren sie so kaputt von der Aufplusterei, dass sie japsend zusammengesunken sind wie 400-Meter-Läufer im Ziel.

Dem Luke haben die Boas an der Nase gekitzelt, er war ständig am Niesen. Der Karlsson wiederum hat beim Pokern die Tamara gewinnen lassen, das habe ich genau gesehen. Er hat nicht mitgeboten, obwohl er 'nen Dreier aus Assen auf der Pfote stecken hatte. Zwar war der Einsatz nicht hoch, wir haben nur um Pistazien aus der Knabbertüte gespielt, aber trotzdem ist das kein Grund, dass man an Ehrgeiz missen lässt. Ich war sehr enttäuscht vom Karlsson. Später habe ich vorgeschlagen, dass wir Mau-Mau spielen, doch das kannte man in Russland nicht.

Viel schlimmer war die Sache mit dem Essen, die hatte sogar Bedenklichkeitswert. Gegessen wurde nämlich an der Table Doht. Das ist französisch und bedeutet „Essen wie zu Hause“, also alles, was auf den Tisch kommt. Erst hatten wir uns noch nichts dabei gedacht, weil die Reise ja erst begonnen hatte. Zum Frühstück gab es Bagels mit Butter und Marmelade und industriell geformte Kornerzeugnisse wie Honigpops im Schälchen mit Milch, ganz nach amerikanischer Art. Das war alles noch okay. Zum Mittagessen und zum Dinner wurde gekocht. Oder es gab kalte Kost.

Nun, schlecht aussehen taten diese Teller ja nicht, aber wo blieb das Fleisch?

Es gab Gemüselasagne:


Frittierte Zwiebelringe:


Salat:


Doch weit und breit kein Steak zu sehen, keine Wurstscheibe, nicht mal 'ne läppische Frikadelle. Als dann die Ludmilla und die Tamara hinzukamen, fiel mir das erst richtig auf. Ich meine, mir als Amazone war das jetzt nicht sooo wahnsinnig wichtig, ich esse auch gern mal vegetarisch, ebenso die Mia und die Cora. Der Luke hatte sowieso seine geheime Kraftkost in den mitgeschleppten Müslibeuteln, aus denen er sich zwischendurch bediente, und der Pit, tja, der war noch nie um einen Imbiss verlegen, seit ich ihn kenne. Der ist immer gut mir Fressalien ausgestattet. Blieb also noch der Karlsson, und um den begann ich mir echte Sorgen zu machen.

Er war nun schon seit Tagen ohne Wurst und Fleisch. Ich vermeinte, leicht eingefallene Wangen zu bemerken. Erste Anzeichen von Skorbut? Schließlich befanden wir uns auf einem Schiff, und welche Folgen Mangelernährung gerade auf Seereisen hat, kann man in jedem Schulbuch lesen.
„Mach mal die Schnauze auf!“, habe ich ihn aufgefordert.
„Wieso?“
„Ich will gucken, ob du schon Zahnfleischbluten hast.“

Weil das Wort „Idiot“ an meinem Gehör vorbeigeflogen kam, bin ich dem nicht weiter nachgegangen. Trotzdem war ich gern bereit, mündlich mit ihm über dieses Problem zu reflektieren. Ob diese ewige Gemüsekost auf Wunsch der beiden Fröschinnen auf den Tisch kam? Was fressen Frösche denn normalerweise, wenn sie nicht Millionärsgattinnen sind? Fliegen und Schnaken, nicht wahr? Ha! Also doch Fleisch.

„Ich brauch was Ordentliches zwischen die Zähne“, hat der Karlsson gejammert. „Mir ist schon ganz flau in den Beinen.“
Das konnte ich gut verstehen, schließlich brauchen die Muskeln beim Rumliegen auf der Liegematte doppelt so viel Spannkraft, um elegant wieder hochzukommen, besonders wenn sich eine russische Tamara in der Nähe aufhält und rübergucken könnte. Also hieß es, den Koch/Kapitän aufzusuchen, um mit ihm ein ernstes Wörtchen über den Speiseplan zu reden.

Das haben wir getan. Es war ein angenehmes Gespräch unter Männern. Dabei stellte sich heraus, dass mitnichten die Tamara und die Ludmilla Sonderwünsche geäußert hatten, sondern dass die Speiseplanänderungen von einem von uns in Auftrag gegeben worden waren.
„Von wem?“ haben der Karlsson und ich wie aus einem Mund geschrien.
„Von Mister Luke.“

Luke
Das war ja wohl die Höhe! Latscht der Kerl ungefragt in die Küche und bestellt Gemüse und Rohkost und wir müssen das Zeug dann mitfuttern, nur weil er das nützlich findet für sein privates Fitnessgedöns. Und welche Risiken damit verbunden waren! Der Karlsson als Hund und Terrier war zweifellos kurz vorm Kollaps. Wir beide haben sogar überlegt, ob es nötig wäre, ihn per Hubschrauber ins nächste Krankenhaus fliegen zu lassen, um die erlittene Mangelernährung durch Infusionen auszugleichen. Ich hätte diese Entscheidung nicht allein treffen wollen. Oh-oh, welche Verantwortung! Nur weil der Karlsson mit einem energischen „Nein, nein, es geht schon!“ geantwortet hatte, war ich wieder einigermaßen sicher, dass die Zukunft auf unserer Seite stehen würde.

Wir sind zu unserer Kabine hinabgestiegen. Wir haben Lukes Müslibeutel unterm Bett hervorgekramt. Wir haben sie nach oben geschleppt. Wir haben den Inhalt ins Meer gekippt. Die Beutel haben wir mit getrockneten Chilischoten und Reiskörnern aus der Küche gefüllt und wieder an ihren Platz geschoben. Die Kraftpülverchen und –fläschchen haben wir ebenfalls im Meer verklappt. Nur die leeren Tüten haben wir ihm gelassen, denn irgendeine Freude braucht das Geschöpf. Von alledem hat der Luke nichts mitgekriegt, er war währenddessen im Fitnessraum beim Hantelstemmen. So. Das war erledigt. Wir haben uns Give-me-five gegeben und voller Vorfreude aufs Abendessen gewartet. Lammspieße waren angekündigt:

Lebensrettend!

Von nun an hatten wir jeden Tag Fleisch oder Fisch. Der Frühstücksteller wurde um Salami und Schinken erweitert. Der Beifall der übrigen Gäste war allgemein groß. Klagen sind nicht gekommen, auch nicht von unserm grauweißen dynamischen Sportsmann. Allerdings hat sich der Luke jetzt morgens immer eine Eiplatte bestellt und zu den Hauptmahlzeiten einen Extrateller grünen Salat.

Lukes Frühstückseier. Herzig, nicht?

„Vermisst du nicht was?“, habe ich ihn mal gefragt.
„Nö … wieso?“, hat er geantwortet.
Das nenne ich Kohntenohnss. Er hat sich nichts anmerken lassen. Die Beutel wurden nach und nach leerer, oder hat er das Chilizeug etwa wirklich gefressen, nur um das letzte Wort zu behalten? Ich hatte mir jedenfalls vorgenommen, ihn nicht auf der Krankenstation zu besuchen, falls er jetzt einen auf ausgemergelt machen sollte. Der Karlsson war gleicher Meinung. Sein Gang war wieder leicht und beschwingt und er pupste wieder glücklich und gesund. Wir waren niemandem Rechenschaft schuldig.

Einmal waren wir sogar auf Landgang. Da durfte der Karlsson beweisen, wie prachtvoll er sich erholte.  Wir steuerten eine der Inseln an. Das war Teil des Unterhaltungsprogramms.

Landgang

Zum Baden, hieß es offiziell, aber gebadet habe nur ich allein. Dabei habe ich eine Muschel aus den Fluten gerettet. Seht mal: 

Ich

Hinterher klebte mein Gefieder von dem blöden Salzwasser und ich hatte dauernd Sand am Schnabel. Die Mia und die Cora waren an Bord geblieben, weil die Cora in der Nacht zu viel Cocktails getrunken hatte und die Mia daher fand, dass sie ihre angegriffene Birne besser nicht dem Strandleben aussetzen sollte, erst recht nicht, wenn die Cora jüngst einen Sonnenstich überlebt hatte. Der Luke und der Pit als reinrassige Kater fanden baden grundsätzlich doof und waren somit prinzipiell nicht interessiert, und die beiden Fröschinnen waren ebenfalls zufrieden mit dem, was sie an Bord hatten. So sind der Karlsson und ich allein zur Insel geschippert. Ein Ruderboot hatte uns hingefahren.

„Hiermit nehme ich dich in Besitz und taufe dich auf den Namen „Miracle of Pansen““, hat der Karlsson getönt, kaum dass er an den Strand gesprungen war. Er trug sein Piratenkäppi und fuchtelte autoritär mit der Vorderpfote wie 'n Dirigent mit dem Taktstock. Danach hat er sich umgeschaut, und als nichts im Weg stand, ist er losgerannt wie 'n Bekloppter, immer den Strand lang und wieder zurück.

Karlsson: nicht zu halten
Zwischendurch ist er kleine Anhöhen hochgewetzt. Von dort hat er „Jippieeee“ geschrien und sich mit waghalsigen Bauchklatschern den Hang wieder runterschliddern lassen. Dem fehlte der Auslauf. Kaum zu glauben, zu welchen Mutationen Hunde fähig sind, wenn man ihnen großzügige Rennpisten zur Verfügung stellt. Die Ohren haben nur so im Wind geflattert.

Manchmal ist er auch mit Affenzahn auf mich zugerannt, dass das Wasser nur so spritzen tat. Mir war das gar nicht recht, weil es dann gleich so einen Wellengang gab, der mich fast weggespült hätte.
„Pass doch auf!“, habe ich schreien müssen.
Ich bin schließlich ein Vogel und nur fürs Babybecken geeignet. Kann ich etwa schwimmen?

Karlsson: bestens gelaunt
Später haben wir kalte Sparerips, Kartoffelchips und Zitronentörtchen aus dem Proviantkorb gegessen. Der Karlsson ist noch eine Runde schnüffeln gegangen im strandeigenen Grünzug und ich habe mir die Landschaft aus den Baumwipfeln angeschaut. Weiter hinten waren Menschen in Badehosen und Bikinis zu sehen. Sie flanierten und planschten. Mit denen hatten wir aber nichts zu tun. Wahrscheinlich waren das Pauschaltouristen. Am Nachmittag hat uns das Ruderboot wieder abgeholt. Die Cora hat gemeckert, dass wir so viel Sand anschleppen täten, und die Mia war neidisch auf unsere gute Laune.
„Das nächste Mal komm ich aber mit“, hat sie gemeint.

Ehrlich, ich war selbst überrascht, wie erholsam so ein Badetag sein kann. Der Karlsson hat sich rücklings in den Liegestuhl fallen lassen und „Aaaah“ geseufzt, ungeachtet dass die Tamara daneben stand und sich mit Spiegel und Puderdöschen aufs Abendprogramm einstimmen tat. Heute sollten die "Dornenvögel“ als Dreiakter gegeben werden. Der Erste Offizier war Pater Ralph, und die Meggie wurde gespielt von der Friseuse/Servierkraft. Leider habe ich nicht viel mitgekriegt, weil ich bald eingenickt bin. Die Mia und die Cora hatten jedenfalls verheulte Augen, als sie zum Schlafen in die Kabine kamen, also muss es romantisch gewesen sein.

Der Pit kam dann noch mit 'ner Zeitung. Hier, ob ich das schon gelesen hätte:


Irre, was? Und all das geschehe direkt vor unsern Augen. So 'n Zufall, wir in der Karibik und dann dieses Mysterium. Vielleicht sollte er auch mal den Kopf durch die Reling stecken und ins Wasser starren, so wie ich das dauernd täte, hat der Pit noch gemeint. Vielleicht bekäme er die Viecher zu sehen. Bah, was da wohl dahinterstecke? Bestimmt würden jetzt Millionen von Dollars ausgegeben, um den Tourismus zu schützen, denn wenn die jetzt die Badeurlauber angreifen täten, diese Piranhas, was dann los wäre!
„Max, hast du denn nichts gemerkt heute am Strand?“
„Nö.“
„Das kam sogar heute in den Radionachrichten.“

Na und? Mir sind wild gewordenen Fische Wurscht. Was haben ich mit denen zu schaffen? Hinten in der Zeitung standen die Bingozahlen aus Port-au-Prince (das ist die Hauptstadt von Haiti). Die fand ich viel interessanter. So 'n Mist. Hätte ich die man gewettet, dann hätte ich jetzt gewonnen und wäre um einen ganzen Batzen reicher.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen

          Frosch 1, Frosch 2, Sonnenuntergang, Smoothie, Gemüselasagne, Zwiebelringe, Salat, Fleischspieße, Eiplatte
          Landschaft Karibik, Muschel, Piranhas: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten 

Donnerstag, 19. Mai 2016

La isla bonita (3. Teil)


Wenn man auf einem Schiff unterwegs ist, kriegt man viel Blau zu sehen. In der Karibik ist der Himmel touristenblau und ebenfalls das Wasser. Manchmal ist das Wasser aber auch türkis und man sieht Land vorbeiziehen. Bei 3000 Inseln und Atollen, die zu den Bahamas gehören, ist das ja auch kein Wunder, schließlich waren wir auf Slalom-Tour um die Inseln herum. Guckt mal hier, das war unsere Route, unten hin und oben herum wieder zurück:


Es ist erstaunlich, wie rasch man sich an das Bordleben gewöhnt. Vielleicht liegt es daran, dass das ständige Schaukeln einschläfernd wirkt. Wenn man außerdem in Rechnung stellt, dass man wegen nicht erfolgter Teilnahme an den üblichen Seekrankheiten über zusätzliche Freizeit verfügt, die ja irgendwie ausgefüllt werden muss (keiner von uns hat gekotzt), dann ist es ja auch gar nicht verwunderlich, wenn manche die viele Freizeit für eine entspannende Schockstarre verwenden. Der Pit hatte von Anfang an kein Problem damit:

Pit

Auch der Karlsson war, nachdem er – hi hi hi – begriffen hatte, dass man als zahlender Passagier nicht zum Segelhissen oder zum Küchendienst einbestellt wird, zu bemerkenswerter Tiefenentspannung fähig:

Karlsson

Nun muss man bei Segelschiffen ja ein wenig aufpassen, wo man liegt oder hintritt, damit man nicht als Fischfutter in den Fluten landet. Der untere Part der Reling war nicht für wegrutschende Kater oder Terrier gebaut, und dauernd eine Schwimmweste zu tragen empfanden die betreffenden Herren als lästig. Also marschierten sie, wo's ging, nur innen am Deck, nah der Takelage, und verbliebene Bedenken wurden auf mich projiziert.
„Dass du dich ja nicht anschleichst und plötzlich „buh“ machst!“, hat der Karlsson mich ermahnt.
Ach, wo werd ich denn? Bin ich blöd? Ich wäre doch selbst derjenige, der dann hinterherfliegen und die nassen Felllappen wieder rausziehen müsste.
„Na, dann ist ja gut“, hat der Pit gesagt und sich wieder auf sein Sonnenlager zurückfallen lassen.

Den Einzigen, den man selten in der Sonne zu Gesicht bekam, war der Luke, unser fleißiger Jungunternehmer. In der Sonne zu braten war nicht sein Ding. Morgens ist er gleich nach dem Hellwerden im Fitnessraum verschwunden. Dort hat er Hanteln gestemmt und ist auf dem Stepper herumgetrampelt. Ich weiß das, weil ich ihm heimlich mal nachgegangen bin; durchs Schlüsselloch hat man das gut sehen können. Danach hat er unterm Bett in seinen mysteriösen Beuteln gekramt, ist damit wieder in den Fitnessraum gegangen, hat dort seine Tütchen und Fläschchen zusammengerührt, hat alles runtergekippt und ist wieder auf den Stepper gestiegen. Irgendwann hat die Mia gemeint, er soll sich doch mal entspannen, diese ewige Heimlichtuerei wäre ja furchtbar, die Sonne täte ihm sicher gut, sein Fell würde dann seidig glänzend werden und widerstandsfähiger gegen Schuppen und Spliss.

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob der Luke diese Argumente richtig verstanden hatte, jedenfalls hat er sich tatsächlich mal blicken lassen zum vorschriftsmäßigen Chillen an Bord:

Luke

Was meint ihr, ist das ein Gesichtsausdruck von Wohlbehagen? Ich glaube eine gewisse Skepsis zu erblicken. Vielleicht passte aber nur nicht das komische rote Gesöff zu den Pulverchen, die er sich vorher eingeschmissen hatte. Bei Blähungen kann ICH auch nicht relaxt gucken.

Lange hat er sowieso nicht stillliegen können, dauernd war er unter Deck unterwegs. Manchmal hat er mir Gesellschaft geleistet bei meinen meeresbiologischen Forschungen. Mir gefällt das faule Totstellen in brutzelnder Wärme nämlich ebenso wenig; ich bin ja auch eher der aktive Charakter, nicht?

„Was gaffst du denn dauernd ins Wasser?“, hat er mich gefragt.
„Ich warte auf Fische oder so was. In der Karibik sollen ja die interessantesten Leute leben. Die will ich sehen“, habe ich geantwortet.
Wie gesagt, manchmal hat der Luke seinen Kopf zu meinem zwischen die Reling gesteckt und mit mir runtergeschaut auf die Wellen, wie sie dort unten schaukelten.
„Langweilig!“
Nun gut, Geduld musste man natürlich aufbringen, außerdem ein wenig Engagement einsetzen. Von nichts kommt schließlich nichts:




„Schrei nicht so!“, hat die Mia gerufen.
Doch das war noch vor und dann wieder nach dem Zwischenfall mit der Cora, denn zum Meckern muss man ja erst mal an Deck sein, nicht wahr? Die Mia war aber nicht an Deck, sondern in unserer Kabine. Dort hat sie die Cora versorgt, die das dringend nötig hatte. Tja, so was Doofes aber auch. Legt sich das Duisburger Stollenputchen doch glatt am ersten Tag in die brütende Mittagshitze in den Liegestuhl – ohne Sonnenbrille, ohne Bikini, ohne Hut, ohne sich einzucremen. Stand das in der neuen „Sexy Girl“, dass man das macht, oder wie kommt man auf so eine bescheuerte Idee?

Cora

Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten. Wir mussten die Cora aus dem Liegestuhl heben und in ein Handtuch wickeln. Damit haben wir sie hinter uns her zur Kabine gezogen. Okay, bei den Stufen abwärts war es vielleicht ein wenig unangenehm, als sie jedes Mal mit dem Hintern aufgeschlagen ist, aber gejault hat sie sowieso und am Ende war nur wichtig, dass sie ins Dunkle und Kühle kam.

Die Cora sah schrecklich aus! Ich hatte extra Fotos gemacht, um euch das ganze Ausmaß zu zeigen, doch die Mia hat mich gezwungen, sie wieder zu löschen. Also kann ich euch nur beschreiben, um was es ging. Ich hoffe, ich treffe die richtige, einfühlsame Wortwahl.

Coras Füße waren knallrot und pellten sich. Das sah aus wie unordentlich angeklebte Briefmarken an überreifen Rhabarberstummeln. Der Schnabel war übersät mit komischen Quaddeln, die man als Vogel eigentlich nicht hat, und das Gefieder stand in dauernder Vibration wie die Pompons von Cheerleadern, weil die Cora so zittern tat. Ihr war kalt. Dann wieder heiß. Dann tat ihr der Kopf brummen. Dann hatte sie Durst. Dann wollte sie schlafen und war am Stöhnen, wenn ich das Radio aufdrehte. Bei jeder Bewegung war so was wie 'n Stoßgebet zu hören. Es könnten aber auch kathartische Selbstanklagen auf Koreanisch gewesen sein.

Die Mia ist ständig nach oben gerannt und hat Flüssigkeiten herbeigeschafft. Die taten der Cora gut.

Mia

Der Karlsson war dazu eingeteilt, jede halbe Stunde das Laken, worin die Cora festgeklemmt war, ins Bad zu tragen und unter der Dusche neu zu kühlen. Aus Lukes ominösem Fitness-Kit stammte die Salbe, mit der Schnabel und Füße eingerieben wurden, und der Pit, die gute Seele, hat solange auf sein Poofkissen verzichtet, damit die Cora darin sicher verwahrt werden konnte, ohne wegzurollen und womöglich vom Bett zu fallen. Den Schiffsarzt wollte die Cora allerdings nicht sehen.
„Ich schäm mich so“, hat sie gejammert.

Unterm Strich hat sich dann ja auch gezeigt, dass wir die Sache sehr gut im Griff hatten. In der zweiten Nacht schon konnten wir wieder ungestört schlafen. Die Cora war verstummt. Ihr ging es besser. Das Zittern hatte aufgehört und aus den Bauchfedern kam kaum noch verbrannter Geruch. Die Quaddeln am Schnabel wurden mit schwarzem Filzstift übermalt und die Bandagen an den Füßen als stylische Leg warmers ausgegeben. Wir haben alle unsere Unterschriften draufgeschrieben, damit es richtig hip aussah. Nach und nach hat die Cora wieder am normalen gesellschaftlichen Leben teilnehmen können (Mahlzeiten am Esstisch). In die Sonne gesetzt hat sie sich allerdings nicht wieder, was man durchaus verstehen kann. 

Luke und Pit
Vom Pit kamen gelegentlich diskrete Klagen über seinen steifen Nacken. Das leuchtete ein. Er hatte schließlich sein Poofkissen hergegeben und zum Luke ziehen müssen, und dass der unter zusammenrücken was anderes verstand als der Pit, habe ich ja selbst mitgekriegt.

Sieht so etwa Gastfreundschaft aus? Ich an Pits Stelle hätte dem Kerl 'ne pflückfrische Ananas auf den Äquator gerammt und ihn gefragt, ob er lieber in der nördlichen oder in der südlichen Hemisphäre schlafen wollte. Wo gibt’s denn so was, dass man seinen Kumpel auf dem Rand liegen lässt? Aber okay, ich weiß natürlich nicht, ob der Pit nicht wieder Ölsardinen im Bett gegessen hat. Vieles ist in Wahrheit anders, als man zunächst denkt.

Wegen der Krankenpflege haben wir nicht an den ersten touristischen Angeboten teilnehmen können. Ein Landgang in Nassau stand auf dem Plan. Dort leben fast 250.000 Menschen. Es gibt Geschäfte und Banken, hübsche Gebäude aus der Kolonialzeit zu besichtigen und sogar ein Piratenmuseum. Letzteres hätte sich der Karlsson gern angeschaut. 

Nassau


Karlsson
Ich weiß nicht, irgendwie schien er geheime Gedanken zu hegen. Abends nach dem Dinner setzte er sich immer seine blöde Piratenmütze auf, um mit durchgedrücktem Kreuz übers Deck zu stampfen wie Lord Nelson persönlich und dabei mysteriös in die Ferne zu schauen oder imaginären Gestalten harsche Befehle zuzunicken. Einmal habe ich ihn sogar dabei beobachtet, wie er die Masseuse/Servierkraft gefragt hat, ob sie Augenklappen im Sortiment hätten, er würde gern eine haben, möglichst in Schwarz. Ist das normal?
„Vielleicht übt er für Fasching“, hat der Pit gemeint. „Oder er will gewappnet sein, falls Moby Dick hier vorbeikommt.“

Ich hätte mir lieber die vielen Festungen angesehen, die Nassau zu bieten hat. Die sind dort übrig geblieben von historischen Notwendigkeiten und hätten sicher hübsche Fotomotive abgegeben. Aber da wir wegen der Cora ja nicht weg wollten, obwohl sie mit letzter Kraft ein „Geht nur, ich will euch den Spaß nicht verderben“ unter ihrem feuchten Waschlappen hervorgekeucht hatte, haben wir uns Nassau nur vom Schiff aus angeschaut. Ich hatte gelesen, es gäbe dort viele Flamingos. Und tatsächlich – ganze Kolonien in Weiß und Rosa standen am seichten Ufer herum.


 Wir haben alle mal durchs Fernrohr geschaut. Immer im Wechsel.
„Sexy Beine“, hat der Luke gemeint.
„'n bisschen wenig dran“, fand der Karlsson.
Der Pit hat gar nichts gesagt, sondern nur mit seinen Fettpfoten Schlieren auf die Linse getatscht (ich glaube von frittiertem Blumenkohl, wo immer er den herhatte). Mir als Fachmann in Vogelfragen gefällt Rosa grundsätzlich nur an Weibern, nicht aber an Männern, die aber zweifellos ebenfalls dort in den Gruppen mit herumstanden. Wie sieht das denn aus? Mit rosa Fransen am Gefieder kann man sich als Mann doch nirgends blicken lassen. Da ist doch sofort jede Autorität futsch.

Ich
„Na, Jungs, guckt ihr wieder anständigen Frauen untern Rock?“, hat die Mia gesagt, als sie mit 'nem  Glas Wodka vorbeikam. 

Tussi. 

Wir Männer gucken uns Miniröcke an, wo und so viel wir wollen. Das ist die natürliche Ordnung im Universum, sonst trügen Flamingos schließlich Bademäntel bis runter zu den Knöcheln, das ist ja wohl klar.

Lange vor Nassau haben wir ohnehin nicht gehalten. Proviant wurde angeliefert und auch die Belegung der zweiten Touristenkabine. Schade, dass die Cora und die Mia das nicht mitgekriegt haben. Ganze Berge von Trolleys, Schachteln und Kleidersäcken wurden über die Gangway gekarrt. Das hätte die Mädels bestimmt total nei… äh … mitleidig gemacht. Sah nach großem Auftritt aus und war Meilen schicker als die popeligen Rucksäcke aus Duisburg und Hannover. Wir waren gespannt, wem dies alles gehörte. Mindestens einer indischen Prinzessin und ihrem Gefolge, so viel war sicher.

Aus einiger Entfernung hinter einem Kasten Mangos versteckt haben wir alles beobachtet. Und als dann endlich das ganze Gepäck an Bord war, nur noch die dazugehörigen Passagiere fehlten und schließlich zwei Gestalten sichtbar wurden, die sich die Sonnenbrillen zurechtrückten, haben wir … erst mal nichts gesagt.
„Oh, Mann“, hat der Karlsson gehaucht, als er wieder sprechen konnte.
Uns  hingen die Kinnladen runter.

Jo, das war eine gelungene Überraschung, das muss ich schon sagen. Damit hatte keiner gerechnet. Aber davon berichte ich das nächste Mal. Wir mussten uns erst wieder einkriegen. Das dauerte.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Luke: © Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: © Terrierhausen
         
          See mit Wolken, Seile und Kissen, Roter Saft, Hai, Seekuh, Delfine 1, Delfine 2, Liegestühle, Cocktails,
          Nassau, Flamingos: Pixabay
          Segelboot Reling: Morguefile

© Max: Papageiengeschichten

Donnerstag, 12. Mai 2016

Der Spruch des Tages (111)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Mittwoch, 11. Mai 2016

Der Spruch des Tages (110)


© Max: Papageiengeschichten (Bild)

Dienstag, 10. Mai 2016

Wenn's denn sein muss ...

... und die Cora hier öffentlich nachfragt (vorige Seite, Kommentar), dann geben wir halt Auskunft, nicht?

Das ist die Putze:


Sie hat heute eine neue Quersumme bekommen. Sie gilt für ein Jahr.

Geschenkt haben wir ihr auch was, nämlich ...



UNS! 

Zu auffällig? Ach was. Von dem Tüdelkram kann man gar nicht genug nehmen.
Nun entschuldigt uns aber, wir müssen an den Tisch. Es gibt Erdbeertorte.  

Lecker!

Der Spruch des Tages (109)


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Montag, 9. Mai 2016

Der Spruch des Tages (108)


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Donnerstag, 5. Mai 2016

La isla bonita (2. Teil)

Wie mir zugetragen wurde, hat es der eine oder andere Leser herausgefunden: Unsere Kreuzfahrt führte durch die Karibik. Der geographische Punkt, den ich angegeben hatte, waren die Bahamas. Die sehen von oben so aus:

Bahamas

Bisschen karg, was? Aber glaubt mir, das Wetter dort ist sonnig und das Meer ist von einem atemberaubenden Blau, dass einem schwindelig werden kann vor Glück, sogar wenn man nichts mit Schifffahrt am Hut hat so wie ich.

Wir sollten nach Miami fliegen und dort an Bord gehen. Die „Princess Graziella“ wartete auf uns – die regionale Landschaft ebenfalls. Ich habe sie euch mal aufgezeichnet, falls ihr damals im Erdkundeunterricht gerade Käsekästchen gespielt hattet. Die Striche in der oberen Hälfte, die aussehen wie Mäuseköttel im Vorratsschrank, sind die vielen kleinen Inseln, die dort im Wasser liegen. Sie galt es zu umschiffen. Doch davon später mehr. Erst mal mussten wir ja nach Miami kommen.


Die Mia und ich sind in Hannover in den Zug nach Frankfurt gestiegen. Der Karlsson, der Pit und der Luke saßen schon drin; sie hatten sich in Hamburg getroffen. Wir fanden sie an einem Vierersitz mit Tisch in der 1. Klasse. Oh là là, das ging ja schon gut los. Das Zugticket hatte unser Großverdiener, unser staubgrauer Ich-AGler aus der holsteinischen Säuberungsbranche, der Luke spendiert.
„Man gönnt sich ja sonst nichts“, hat er gemeint.
Der Pit fand das auch und hat sich vom Zugpersonal das Handelsblatt bringen lassen. Ich dachte, jetzt isser vollends übergeschnappt, aber er hat die Zeitung nur ausgebreitet, um seine abgenagten  Fischgräten darin einzuwickeln. Der Mia war das ein Kopfschütteln wert.

Ich hatte Gelegenheit, den Karlsson unauffällig nach seinem Eindruck vom Luke zu befragen. Schließlich war es das erste Mal, dass er mitfuhr. Der Karlsson tat die Augen verdrehen.
„Ich glaube, der ist nicht ganz dicht“, hat er geflüstert. „Im Frühstücksbeutel hat er trockenes Knäckebrot dabei und eben hat er 'ne Tüte Studentenfutter gegessen – mit allen Rosinen! Boah, stell dir das mal vor!“
In der Tat, das war schlimm. Bisher hatte ich den Pit für kulinarisch bedenklich gehalten, sollte es tatsächlich eine Steigerung geben?

In Frankfurt in der Abflughalle haben wir die Cora getroffen. Sie stand da mit dem Rucksack auf dem Buckel und einem Piz-Buin-Täschchen um den Hals. Eine Flasche Sonnenmilch guckte raus. Die Mia ist der Cora mit offenen Flügeln in die Arme gerannt, als hätten sie sich Jahrzehnte nicht gesehen.
„Das wird super werden!“, hat sie gequiekt.
Irgendwie war das auch meine Befürchtung, aber als Mann hält man sich da besser bedeckt.

Karlsson und Luke im Flughafen

Am Schalter wurden wir aufgehalten. Der Hund sei anzuleinen, hieß es. Das kannten wir schon vom Jack, damals als wir nach Nevada geflogen sind. Also haben wir gewartet, dass der Karlsson seine Leine rausholen und sie am Halsband anschließen täte. Stattdessen hat er „Moooment mal!“  gebellt und ein Papier hochgereicht. Ich meinte, einen gewissen Triumph zu erkennen. Es handelte sich um ein polizeiliches Führungszeugnis, ausgestellt von seinem Papa. Darin wurde bestätigt, dass er, der Karlsson, Terrier, weizenfarben, geboren am …, in …, wohnhaft Schleswig-Holstein, Dorf, frei von ansteckenden Krankheiten und jeglichen Einträgen ins Strafregister sei. Hinter dem Punkt „Gemeingefährlich“ war „Nein“ angekreuzt und hinter „Hundeschule“ „Erfolgreich absolviert“ mit dem Zusatz „Stubenrein“. Die Flugdame hat sich alles durchgelesen, mehrmals auf den Karlsson runtergeschaut und schließlich gesagt, es sei okay, der Herr dürfe passieren, die Leinenpflicht sei aufgehoben.
„Du denkst aber auch an alles“, hat sich die Cora gewundert.

Karlsson, das Flugzeug und der Weg zum Klo
Der Flug verlief  den Umständen entsprechend passabel. Wir hatten einen Zweiersitz am Fenster für uns allein.
„Du als Hund bist doch sowieso höhenblind, ne?“, hat die Cora gesagt und sich am Karlsson vorbei an den Ausguck gedrängt.
Ich saß in der Mitte. Dauernd hat mir der Luke mit seinem dämlichen Knäckebrot steinharte Bröckchen ins Gefieder gekrümelt. Die sind runtergerieselt und in der Polstermulde zusammengerollt, ausgerechnet unter meinem Hintern. Fehlte nur noch, dass sich der Karlsson als flugkrank erwies. Die Kotztüten würde ich ihm jedenfalls nicht reichen, das stand schon mal fest, doch Gott sei Dank war das auch gar nicht nötig. Er hielt sich wacker, zumindest für einen, der noch nie geflogen war.
„Muss ich 'nen Euro in den Schlitz stecken, wenn ich aufs Klo will?“, hat er gefragt.
Und als die Stewardess mit dem Nachtessen vorbeikam und wissen wollte: „Rind oder Schwein?“, hat er „Beides – mit Wurstsalat bitte“ gesagt.

Beim Kinoprogramm war er dann ruhig. Es gab den „Paten“, der gefiel ihm. Anschließend allerdings, die „Aristocats“, die fand er doof, während „101 Dalmatiner“, der dritte Film,  nicht so ganz dem Geschmack unserer beiden Kater entsprach. Die hätten lieber den „König der Löwen“ gesehen. Mir war das Wurscht, solange man mich schlafen ließ. Die Mädels hörten „Björk“ im Kopfhörer und klatschten mir ständig das Bordmagazin ins Gesicht. Manche Weiber können einfach nicht manierlich umblättern.

Als wir am Morgen in Miami landeten, dämmerte es gerade. Die Skyline war grandios, das muss ich zugeben.

Miami

Ansonsten störte das Klima. In Florida begrüßte uns nämlich eine muffige Wärme. Da wir im winterlichen März losgeflogen waren in Temperaturen mit frischer Atemluft und autoritärem Kneifen an den Öhrchen, war es, als würde man uns jetzt auf der Gangway ein heißes Federbett überstülpen. Es waren weit über 20° und eine Luftfeuchtigkeit von fast 80 %. Dem Pit hingen niedliche Tröpfchen in den Barthaaren.
„Jetzt wär's gut, wenn man den Pullover ausziehen könnte, was?“, habe ich mich erkundigt.
„Blödmann“, hat er gezischt. 

Die Mia und die Cora waren stinkig, weil keine Stadttour eingeplant war. Wir wurden sofort an den Schiffsanleger gefahren. Ich bin mir sicher, dass sie ohnehin keinen blassen Schimmer von den Sehenswürdigkeiten hatten, sondern nur gucken wollten, wo Herr Versace damals gewohnt hat.

„Lebt hier nicht irgendwo Flipper?“, hat die Cora gemeint.
„Ja, ganz recht“, hat der Karlsson geantwortet. „Porter Ricks ist jetzt pensioniert, Sandy verkauft Akkuschrauber und Mikrowellen in Tallahassee und Bud wohnt mit einem Bigfood zusammen in den Everglades. Beim Fernsehen ist keiner mehr.“
Na, sieh mal an, das hatte ich auch nicht gewusst. Den Karlsson hatte das Interesse an Kunst und Kultur also doch noch nicht verlassen. Schön, wenn man noch anderes kennt als fressen, schlafen und dösen.

Warten auf die "Princess Graziella": Karlsson, Mia und Cora

Beim Einlaufen der „Princess Graciella“ ist mir aufgefallen, wie viel Gepäck der Luke dabei hatte: einen Rucksack und drei schwere Beutel. Was sollte das denn bedeuten?
„Geht dich nichts an“, hat er gemeint.
„Da ist Müsli drin“, habe ich vom Pit erfahren „Ganze Tüten voll. Und Tuben mit Vitaminpaste und Aufbaupulver für Bodybuilder zum Einrühren in die Milch. Zu Hause im Keller hat er 'n ganzes Lager davon.“
Aha. Ist aber schon 'n bisschen schräg, hier sein halbes Dopinglabor mitzuschleppen, nicht? Andererseits: Der Ringelplüsch hatte eine ganze Pfeffersalami zwischen Duschgel und Flohpulver stecken. Mir kam der Verdacht, dass solche Sachen an Schleswig-Holstein liegen mussten, denn dort überreicht man noch frische Seerobben beim Sonntagsbesuch statt Blumen und ätzt Kakaobärte mit dem Tauchsieder weg. Keiner Wunder, wenn man da wunderlich wird.

Die „Princess Graziella“ war zwar ein altes Segelschiff, aber komplett saniert und für den Tourismus aufgehübscht. Es gab zwei Schlafkabinen. Die eine bekamen wir, die zweite sollte in Nassau auf den Bahamas belegt werden. Unten auf dem Hochbett lagen schon drei Poofkissen für den Pit, den Luke und den Karlsson bereit, oben auf der Etage hatte man eine Schlafstange eingezogen für die Mädels und mich – sehr aufmerksam. Ein kleines Bad komplettierte die Einrichtung. Das war's dann allerdings auch schon. Bei der Marine ist eben alles ein bisschen eng. Lukes Müslibeutel fanden unterm Bett Platz, Mias Glitzerbikinis an der Garderobe.


Kaum hatten wir unser Gepäck unten abgeladen, wurden wir auch schon wieder an Bord gerufen. Draußen dröhnte „Time to say goodbye“, während der Untergrund zu wackeln begann. War das extra wegen uns? Außerdem wollte uns der Käptn sprechen, hieß es. Nanu, das Schiff hatte gerade erst abgelegt, wir steuerten aus der Bucht von Miami heraus. 
„Das ist vielleicht 'ne Hetze hier“, hat die Cora gemeckert. „Ich dachte, wir wären im Urlaub.“

Oben an Deck erwartete uns die komplette Mannschaft in Reih und Glied. Ach so, offizielle Begrüßung. Wir haben uns ebenfalls zum Appell aufgestellt: die Mia, die Cora und ich vorn, die Junges dahinter mit den Katern an den Flanken und unserm dekorativen Lockenwiesel in der Mitte. Warme Worte des Willkommens wurden uns zuteil, dann kriegten wir erklärt, wie das Schiff aufgeteilt war. Es gab einen Speisesaal (na ja, eher einen kleinen Raum mit Esstisch), eine Bibliothek mit TV-Ecke, einen Hantel-Raum mit Laufband und Stepper, eine kleine Bar und ein Multifunktions-Ensemble für Frisör, Pediküre, Massage, Kosmetik oder falls nötig Arztbehandlung. 

Der Pediküre-Massage-Frisör- und Krankenraum

Wegen der begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten war das Personal multifunktional ausgestattet. Wir erfuhren, dass der Kapitän gleichzeitig der Koch war, die Friseuse bei Tisch bediente und der erste Maat (oder wie das hieß) im Wechsel mit dem Schiffsarzt die Kabinen säuberte. Deshalb wurde gebeten, die  Kosmetik- oder Frisörtermine nicht gerade in die Essenszeiten zu legen oder am Vormittag krank zu werden. Ansonsten wären alle Einrichtungen und Angebote unter Deck und erst recht an Deck kostenlos zu nutzen, nur der Alkohol in der Bar gehe auf eigene Rechnung und natürlich das Pay-TV. Noch Fragen?

„Ja“, hat sich der Pit gemeldet.
Unsere Köpfen flogen herum. Wie stehe es denn mit der Sicherheit, fing er an zu labern. Könnten uns Hurrikans gefährlich werden? Schließlich wäre Kolumbus hier schon fast abgesoffen in der stürmischen See, und dann befänden wir uns ja auch noch im Bermuda-Dreieck. Wäre zu erwarten, dass wir womöglich ganz woanders rauskämen, irgendwo, wohin wir gar nicht wollten?

Oh Mann, das waren natürlich wieder so Klugscheißerfragen, wie sie nur dem Hirn eines Banausen entspringen konnten. Die Cora glotze peinlich berührt und ich wäre auch am liebsten fortgerannt vor lauter Scham. Wie gut, dass der Kapitän zu parieren wusste. Er erklärte dem Ringelplüsch, dass die Hurrikansaison von Juni bis Oktober sei, nicht aber jetzt im März. Und Schiffe wären generell nicht gefährdet, seit es immer mehr Flugzeuge gebe. Hier habe ein deutlicher Wandel stattgefunden, vom Meer hin zur Luft. Man könne ganz beruhigt sein, die Schifffahrt sei sicher, stattdessen würden fast nur noch Flugzeuge verschwinden. Im Übrigen wäre jeder Passagier unfallversichert. Wenn wir daran interessiert seien, könnten wir uns gern die entsprechenden Policen unten im Büro anschauen.
„Na, zufrieden, Mister Jeopardy?“, habe ich den Pit gefragt.
Der hat aber nur „Pfft“ gemacht und mir den Hintern zugedreht.

Der Karlsson hatte von alledem nicht viel mitgekriegt. Er war die ganze Zeit am Starren, die Masten rauf, wo die Segel schaukelten. Sein Blick schien wie eingefroren, der Kopf im Genick eingerastet. Mir tat er leid.
„Willst du morgen die erste Schicht übernehmen oder soll ich zuerst?“, habe ich mich erkundigt, um ein wenig Entspannung in sein Denken zu bringen.
Hi hi hi, da ist sein Kopf nach vorne geklappt und er hat geflüstert:
„Ich mach lieber das Kartoffelschälen.“ 

Die Takelage: nichts für schwache Nerven

Leider wurden wir unterbrochen, zu schade aber auch, doch der Käptn wollte noch schnell seine Rettungsübungen an den Gast bringen. Uns wurden die verschiedenen Töne der Schiffstute erläutert und die Rettungsboote gezeigt. Außerdem mussten wir die Schwimmwesten anlegen. Ich glaube –  nein, ich bin mir sicher –, es waren Maßanfertigungen, extra für uns. Die Jungs hatten nämlich Geschirre um, die aussahen wie Julius K9 mit Karostepp umwickelt und Klarlack imprägniert – total beknackt. Meine Weste und die der Mädels hingegen waren komplett aus transparentem Material. Sehr stylisch. Wenn man den Klettverschluss ordentlich festzog, saß die Weste schön stramm.
„Blödsinn! Das sind doch bloß Luftkissenpolster von der Rolle“, hat der Luke gelästert. „Guckt doch mal genau hin – Gockel in Versandpackung. Ich schmeiß mich weg.“

Die Mia, die dumme Nuss: hält ihre Birne ins Bild. Dabei wollte ich nur das Schiff zeigen

Ich habe mir sehr wohl gemerkt, dass der Pit eingeschwenkt ist in das bekloppte Lachen, und der Karlsson hat auch mitgemacht. Nur gut, dass wir sowieso gerade entlassen waren, sonst hätte ich das fröhliche Humoristentrio noch schnell fotografiert – die mit ihren Steppstrapsen! Ha!

Der Appellplatz leerte sich. Die Mia und die Cora sind an Deck geblieben, um sich die Liegestühle anzuschauen, der Luke ist nach unten gestiegen, um den Fitnessraum unter die Lupe zu nehmen, der Pit wollte nach seiner Mettwurst sehen und ich habe mit dem Karlsson Münzen fürs Pay-TV gekauft.
„Zu Hause darf ich nie Schulhündchenreport sehen“, hat er gesagt.
Na, dann wurde es aber Zeit. Die Reise konnte beginnen. Ahoi.

Fortsetzung folgt.

Fotos: Cora: © G.H.
          Pit und Luke: Club der glücklichen Vierbeiner
          Karlsson: Terrierhausen
          Miami, Bahamas, Rollsteig, Flugzeug innen, Anlegeplatz, Arztzimmer, Taue, Takelage, Taschen, Rucksack 1, Rucksack 2,
          Beutel: Pixabay

© Max: Papageiengeschichten 

Mittwoch, 4. Mai 2016

Der Spruch des Tages (107)


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Dienstag, 3. Mai 2016

Der Spruch des Tages (106)


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